Scrum Meetings: Nicht das Problem – sondern Teil der Lösung

Frau mit Scrum Meeting fatigue

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Die Beschwerde, die wir alle kennen

„Seit wir Scrum machen, haben wir noch mehr Meetings!“ – diesen Satz hört man in vielen Teams, die gerade dabei sind, agile Methoden zu etablieren. Und ehrlich gesagt: Manchmal stimmt es. In manchen Organisationen ist der Kalender voll, Termine reihen sich aneinander, und viele fragen sich, wann sie eigentlich zur „richtigen“ Arbeit kommen sollen. Doch liegt das wirklich an den Scrum Meetings?

Scrum Meetings: Weniger als gedacht – aber gezielter als vermutet

Ein Blick in den Scrum Guide zeigt: Scrum selbst schreibt genau vier Scrum Meetings vor, und jedes davon hat eine klare Aufgabe (ja, der Sprint selbst zählt auch als Scrum Event, streng genommen sind es fünf):

  • Sprint Planning: ein gemeinsamer Plan für den nächsten Sprint
  • Daily Scrum: tägliche Synchronisation und Anpassung
  • Sprint Review: Demo und Feedback zur fertiggestellten Arbeit
  • Sprint Retrospektive: kontinuierliche Verbesserung

Diese Scrum Meetings sind getimeboxed – also auf eine maximale Dauer begrenzt – und dienen einem ganz konkreten Zweck. Richtig umgesetzt, helfen sie dem Team, fokussiert zu bleiben, Entscheidungen zu treffen und die Produktentwicklung voranzubringen.

Was Scrum nicht kontrolliert, sind all die Meetings, die zusätzlich entstehen: Statusrunden, Technik-Reviews, Projekt-Check-ins, Management-Updates, mehrere Refinements pro Woche… Oft entsteht so eine Meeting-Flut, die Scrum dann fälschlicherweise angelastet wird.

Kalender mit Meetings

Oft sehen Kalender so aus. Keine Pausen, Meeting an Meeting.

Warum empfinden wir Scrum Meetings als zu viel?

Ein Grund liegt in der Veränderung: Wer Scrum neu einführt, erlebt zunächst eine Verdichtung der Kommunikation. Wo früher vieles implizit oder unstrukturiert lief, wird jetzt regelmäßig reflektiert und geplant. Das fühlt sich erstmal nach mehr an – ist aber häufig nur bewusster und transparenter organisiert.
Gleichzeitig fehlt in vielen Teams eine bewusste Meetingkultur. Kalender werden mit Serienmeetings gefüllt, Agenden sind unklar oder existieren gar nicht, und Einladungen erfolgen nach dem Gießkannenprinzip. In der Summe führt das dazu, dass Scrum Meetings als belastend empfunden werden – und nicht als produktiver Teil der Arbeit.

Meeting Fatigue – wenn Scrum Meetings zur Belastung werden

Dieses Phänomen hat einen Namen: Meeting Fatigue. Gemeint ist die Erschöpfung, die durch zu viele – oder zu schlecht gestaltete – Meetings entsteht. Typische Symptome:

  • Konzentrationsprobleme, Gereiztheit
  • Rückzug oder Desinteresse im Meeting
  • Gefühl, nicht zur eigentlichen Arbeit zu kommen
  • Zoom-Müdigkeit“ in virtuellen Formaten

Ursachen dafür sind u.a.:

  • zu viele Meetings hintereinander, ohne Pausen
  • Meetings ohne klaren Zweck oder Ergebnis
  • irrelevante Teilnehmer:innen
  • keine Interaktion oder Beteiligung

Was hilft dagegen?

  • bewusste Gestaltung und Moderation von Scrum Meetings
  • gezielte Einladung statt „Alle sollen dabei sein“
  • Timeboxing wirklich einhalten
  • Pufferzeiten im Kalender und ein gesunder Meeting-Rhythmus
  • regelmäßige Reflexion: Wie fühlt sich unsere Meeting-Kultur an? Was braucht das Team wirklich?

Es geht nicht darum, Scrum Meetings zu streichen – sondern sie so zu gestalten, dass sie wieder als wertvoll und fokussiert erlebt werden.

Und genau dabei helfen wir euch mit unserer eigens konzipierten „Pimp My Scrum Events“ Beratung! Denn bei dieser Beratung beobachten wir euer Team während einzelner Scrum-Events und liefern euch personalisierte, konkrete Verbesserungsvorschläge, die auch wirklich auf eure Bedürfnisse abgestimmt sind.

Scrum Meetings sind keine tote Zeit – sie sind Teil der Wertschöpfung

In der Wissensarbeit – und besonders in der Produktentwicklung – entsteht Wert nicht nur durch das, was wir tun, sondern durch das, was wir gemeinsam verstehen.
Scrum Meetings sind kein notwendiges Übel, sondern die Orte, an denen wir:

  • gemeinsame Ziele entwickeln
  • Informationen abgleichen
  • Annahmen klären
  • Entscheidungen treffen
  • Zusammenarbeit verbessern

Wer Scrum Meetings als reine „Unterbrechung“ sieht, trennt Denken und Handeln künstlich voneinander. Gute Scrum Meetings sind kein Zeitfresser – sie sparen Zeit, weil sie Klarheit schaffen.

So gelingen Scrum Meetings, die wirklich etwas bringen

Gute Scrum Meetings entstehen nicht zufällig. Sie brauchen Struktur, Ziel und bewusste Gestaltung. Hier sind fünf Regeln, die jedes Team nutzen kann:

1. Klarer Zweck statt vager Agenda

Jedes Scrum Meeting sollte eine einfache Frage beantworten: Was soll danach anders sein als vorher?

  • Welches Ziel verfolgen wir?
  • Welche Entscheidungen müssen getroffen werden?
  • Warum braucht es dafür ein Meeting?

Ein klares Ziel wirkt wie ein Filter: Es hilft, nur relevante Themen auf die Agenda zu setzen, die passenden Personen einzuladen und eine passende Moderationsform zu wählen – sei es Entscheidungsfindung, Ideensammlung oder strukturierte Arbeitsphasen.

2. Gezielte Teilnehmer:innen mit klarer Rolle

Wer eingeladen wird, sollte entweder einen Beitrag leisten oder einen konkreten Nutzen haben. Und das sollte idealerweise vorab kommuniziert werden.
Stille Zuhörer:innen ohne Rolle oder Aufgabe fühlen sich oft fehl am Platz – und sind es vielleicht auch.

3. Das Arbeiten passiert im Scrum Meeting

Scrum Meetings sind keine Koordinationsplattformen für spätere Arbeit – sie sind die Arbeit. Ein gutes Scrum Meeting hat spürbare Ergebnisse:

  • Entscheidungen
  • konkrete Pläne
  • neue Erkenntnisse
  • visualisierte Optionen

Selbst stille Einzelarbeit kann Teil eines Scrum Meetings sein – z.B. 10 Minuten, in denen jede:r still denkt, schreibt oder etwas vorbereitet, bevor die Gruppe zusammenkommt.

4. Timebox einhalten und aktiv nutzen

Scrum Meetings brauchen eine harte Zeitgrenze. Warum?

  • sie fördern Fokus
  • sie respektieren die Zeit aller Beteiligten
  • sie helfen, Prioritäten zu setzen

10–15 Minuten vor Ende sollte immer ein Wrap-up beginnen: Was wurde erreicht? Was ist offen? Was sind die nächsten Schritte?

5. Zusätzliche Meetings regelmäßig hinterfragen

Die vier Scrum Meetings sind Bestandteil des Frameworks und nicht verhandelbar. Doch viele Teams führen zusätzliche Termine ein – etwa technische Abstimmungen, Release-Planungen oder Statusrunden. Diese Meetings sollten regelmäßig reflektiert werden: Haben sie einen klaren Zweck? Sind die richtigen Personen dabei? Könnten sie verschlankt oder durch asynchrone Formate ersetzt werden?

Beispiel: Zwei Scrum Meetings – zwei Wirklichkeiten

Beispiel 1: Das ineffektive Refinement

Fünf Leute sitzen eine Stunde zusammen. Zwei reden, drei schweigen. Es gibt keine Agenda. Am Ende ist nichts geschätzt, vieles „angesprochen“, nichts dokumentiert.

Was sind die möglichen Konsequenzen eines solchen Meetings? Wichtige Items bleiben unbearbeitet, das Sprint Planning wird erschwert, das Team startet unvorbereitet in den Sprint – und das gesamte Entwicklungstempo leidet. Zudem entsteht Frust, weil die investierte Zeit keinen sichtbaren Fortschritt erzeugt.

Beispiel 2: Das fokussierte Sprint Planning

Der Product Owner bringt ein vorbereitetes Sprint-Ziel mit. Das Team hat die Stories vorher gelesen. Innerhalb von 90 Minuten steht ein gemeinsamer Plan mit klaren Aufgaben.

Solche Unterschiede entstehen nicht durch Glück – sondern durch bewusstes Design.

Bonus 1: Das Scrum Meeting-Diagnose-Canvas (Mini-Workshop)

Frage Beispielantwort Weiteres Vorgehen
Was ist der Zweck? „Statusupdate“ Reicht eine Slack-Nachricht?
Wer bringt Mehrwert? „Alle“ Wer trägt aktiv bei?
Was ist das Outcome? „Offene Punkte“ Klare Entscheidungen festhalten
Gibt es Alternativen? „Teilweise“ Teilweise asynchron gestalten

So wird jede:r im Team Mitgestalter:in der Meetingkultur. Das Thema kann man auch mal im Rahmen eine Retrospektive bearbeiten. Zum Beispiel mit den Reflexionsfragen im nächsten Abschnitt:

Abschluss: Drei Fragen zur Selbstreflexion

Zum Schluss drei Fragen, die du dir oder deinem Team stellen kannst:

  • Welches Meeting in deinem Kalender bringt aktuell am wenigsten Wert?
  • Wo könntet ihr durch bessere Vorbereitung oder klare Struktur Zeit sparen?
  • Wann habt ihr zuletzt ein zusätzliches Meeting bewusst verändert oder abgeschafft?

(Scrum) Meetings sind kein Selbstzweck. Sie sind ein Mittel, um echte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Richtig eingesetzt, machen sie den Unterschied zwischen Abstimmung und Alignment – zwischen Beschäftigung und Wirkung.

Bonus 2: Lean Coffee Hack für unstrukturierte Meetings

Für Meetings ohne Agenda oder mit vielen offenen Themen eignet sich das Lean-Coffee-Format hervorragend. Es bringt Struktur und Fokus in die Diskussion – ganz ohne Vorbereitung. Ein Timer, ein paar Klebezettel oder digitales Board reichen aus, um Themen gezielt zu priorisieren und nacheinander effizient abzuarbeiten.

Wie ein Lean Coffee Format funktioniert erkläre ich in diesem Video:

Fazit: Es geht nicht um weniger Meetings – sondern um bessere

Scrum gibt uns ein minimalistisches Gerüst aus vier klar definierten Scrum Meetings. Es lädt Teams ein, Kommunikation zu strukturieren, Entscheidungen sichtbar zu machen und Zusammenarbeit kontinuierlich zu reflektieren.
In der Praxis braucht es zusätzlich oft weitere Meetings – für technische Klärungen, strategische Abstimmungen oder organisationsweite Koordination. Doch nicht die Anzahl der Meetings entscheidet über die Qualität der Zusammenarbeit, sondern deren bewusste Gestaltung.
Wer Meetings – ob innerhalb oder außerhalb von Scrum – wie Produkte behandelt, mit klarer Zielgruppe, Nutzen und Ergebnis, wird erleben:

 

Nicht weniger Meetings bringen den Erfolg. Sondern bessere.

Über die Autorin dieses Beitrags:

Beatrix Gottanka von der Agilistas GmbH aus LinzHallo, ich bin Beatrix Gottanka – diplomierte Software Engineerin, zertifizierte Professional Scrum Masterin und seit über 15 Jahren mit echter Scrum-Praxis unterwegs.

Gerne helfe ich Dir und Deinem Team euer volles Potential mit einer agileren Haltung zu entdecken und auszuschöpfen.

-> Mehr über mich

 


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