Daily Scrum: Standup oder Stillstand?

daily scrum frustration schild

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15 Minuten. Einmal am Tag. Alle stehen (oder sitzen). Niemand hat Zeit.
Und doch: Das Daily Scrum ist der Pulsgeber des Teams – kurz, intensiv, wiederkehrend.
Doch was passiert, wenn dieser Puls ins Stolpern gerät? Zeit für eine kleine Inspektion.

Was ist das Daily Scrum überhaupt – und warum heißt es auch „Standup“?

Das Daily Scrum ist ein kurzes, fokussiertes Meeting der Developer im Scrum Team. Es findet jeden Tag zur selben Zeit und am selben Ort statt – ganz gleich, ob physisch oder remote. Ziel ist nicht, Bericht zu erstatten, sondern sich als Team zu synchronisieren: Wo stehen wir im Sprint? Was machen wir heute? Gibt’s Hindernisse?

Ursprünglich standen alle dabei – weil Stehen schneller macht. Und weil keiner Lust hat, 30 Minuten lang zu stehen und sich zu langweilen. Hence: „Standup“. Diese Tradition lebt weiter – auch wenn heute viele sitzen und dabei Kaffee trinken. Scrum verzeiht viel – aber keine Ineffektivität. 😉 Gerade das Daily Scrum zeigt, wie das agile Mindset im Alltag gelebt wird: Eigenverantwortung, Transparenz und kontinuierliche Verbesserung stehen im Mittelpunkt, nicht Kontrolle.

Wo steht das Daily im Scrum Framework?

Das Daily Scrum Meeting ist eines von fünf Scrum Events – und das einzige, das täglich stattfindet. Es ist Teil der empirischen Schleife von Inspektion & Adaption.

Während das Sprint Planning die Route vorgibt und das Review die Strecke bewertet, sorgt das Daily dafür, dass wir nicht gegen einen Baum fahren. Kurz, klar, verbindlich.

Trivia Time: Warum genau 15 Minuten?

Die 15-Minuten-Timebox im Daily Scrum ist kein Zufall. Jeff Sutherland, einer der Scrum-Väter, sagte einmal:

„15 Minuten sind lang genug, damit ein Team sich synchronisieren kann – und kurz genug, damit niemand abschweift.“

Auch die Organisationspsychologie bestätigt:

Nach 10–15 Minuten sinkt die durchschnittliche Aufmerksamkeit. Längere Meetings kippen in Ineffektivität, fördern Monologe – und töten jede Dynamik.

„Regelmäßige, sehr kurze Meetings können große Ergebnisse liefern – sie stärken das Team, halten Projekte auf Kurs, verhindern Missverständnisse und mehr.“

 

Die 15-Minuten-Timebox schützt euch nicht (nur) vor Zeitverschwendung – sondern vor euch selbst.

Daily Scrum Timer
Ich mag den Timer von https://www.timeanddate.com/timer/

Warum täglich? Wäre ein wöchentlicher Standup nicht effizienter?

Ein wöchentliches „Standup“ klingt auf dem Papier effizient – weniger Meetings, weniger Aufwand, mehr Fokus auf „die eigentliche Arbeit“.
Aber Achtung: Genau dieser Gedanke führt oft dazu, dass Teams aneinander vorbeiarbeiten – nicht miteinander.

Scrum basiert auf Empirie und Adaptivität: kurze Feedbackzyklen, ständiges Nachjustieren, schnelle Kurskorrekturen. Und das geht nur, wenn Teams regelmäßig innehalten, vergleichen, sich ausrichten – nicht einmal die Woche, sondern täglich.

Ein Team, das wirklich zusammenarbeitet, synchronisiert sich nicht einmal pro Woche.
Es synchronisiert sich ständig – explizit im Daily, implizit über offene Kommunikation.

Das Daily ist nicht das Ziel – es ist der Trigger für kontinuierliche Abstimmung.

Ein funktionierendes Scrum Team sagt nach dem Daily nicht:
„So, das war’s dann bis morgen.“
Sondern eher:
„Okay – dann lass uns gleich drüber sprechen, wie wir X gemeinsam angehen.“
Oder:
„Klingt so, als müssten wir heute Nachmittag noch mal in kleiner Runde sprechen.“

Wöchentliches Synchronisieren ist wie ein Wochenend-Date in einer Beziehung mit Konflikten.
Tägliches Synchronisieren ist wie ein funktionierendes Teamleben: verbindlich, regelmäßig, manchmal unspektakulär – aber eben lebendig.

Kann man am Daily ablesen, wie „gesund“ ein Scrum Team ist?

Oh ja. Das Daily Scrum Meeting ist wie ein Mini-Gesundheitscheck für dein Team.

Ein gesundes Team erkennt man daran:

  • Das Daily startet pünktlich, niemand lässt andere warten.
  • Alle sind vorbereitet & beteiligt
  • Beiträge bauen aufeinander auf
  • Blockaden werden offen benannt
  • Es wird zugehört – nicht nur gesprochen
  • Die Stimmung ist produktiv – und oft sogar locker

Wenn es kriselt, sieht es oft so aus:

  • Reihum-Reporting in emotionslosem Ton
  • Anstatt zuzuhören liest man E-Mails oder surft
  • Keine Reaktion auf Impediments
  • 1–2 Personen dominieren, andere schweigen
  • Niemand stellt Rückfragen oder bietet Hilfe an
  • Zeit wird überzogen oder ignoriert

  •  

Meme: "Oh, you do standups every day? you must be so agile"

5 typische Fehler im Daily Scrum – und wie du sie vermeidest

Es beginnt ganz harmlos. Alle loggen sich ein. Der Scrum Master fragt: „Wer will anfangen?“
Dann geht’s reihum – und plötzlich redet jemand fünf Minuten über ein Ticket, das eh niemand kennt.

Fehler 1: Das Daily wird zur Status-Show.
Wenn jede:r brav berichtet – meist mit Blick zum Scrum Master – wird das Daily zur Pflichtübung. Synchronisation? Fehlanzeige.
👉 Sprich ins Team, nicht für jemanden. Denke vorwärts, nicht rückwärts.

Fehler 2: Das Ziel fehlt – und plötzlich arbeitet jede:r für sich.
Ohne Sprint-Ziel wird das Daily zur Kalenderlesung: „Ich mache Task A, du Task B – cool.“
Was fehlt, ist der gemeinsame Nenner: Warum tun wir das gerade?

Mit Ziel dagegen verändern sich Ton und Inhalt:
Plötzlich heißt es „Ich mache Task A, weil es uns bei X voranbringt.“
👉 Startet das Daily mit: „Unser Ziel ist …“ – und redet für etwas, nicht nur über etwas.

Fehler 3: Diskussionen mitten im Daily.
„Aber das ist doch kein Bug, sondern ein Feature!“ – Und schon sind zehn Minuten weg.
👉 Nutzt einen Parking Lot: festhalten, später besprechen.

Fehler 4: Immer zu spät, immer zu lang.
Timebox ignoriert? Dann wird aus 15 Minuten schnell Frust.
👉 Gleiche Zeit, gleicher Ort – und gern mit Timer.

Fehler 5: Kein echter Austausch.
„Ich mach heute das, danke.“ Und Stille. Keine Rückfragen, keine Reaktion.
👉 Macht das Daily zur Bühne für Teamdynamik – nicht zur Tonbandaufnahme.

 

Ein schlechtes Daily live erleben? Besser als jedes Meme

Du willst mal sehen, wie ein Daily nicht laufen sollte?

Ich habe dazu zwei kurze Videos für euch aufgenommen – ein Daily, wie es leider in vielen Teams abläuft. Vielleicht kommt euch das bekannt vor…
👥 vier Leute, vier Monologe, null Synchronisation. 

🎬 ▶️ Video 1: „Daily Scrum Example (English, CC)
🎬 ▶️ Folgevideo: „Daily Scrum example – commented with best practices (English, CC)

Am besten gleich beide schauen, dann wiederkommen und weiterlesen. 😉

Reflexionsfragen für ein besseres Daily Scrum

Egal ob du Scrum Master, Teammitglied oder Coach bist: Wenn du euer Daily besser verstehen willst, stell dir (oder dem Team) ab und zu folgende Fragen:

  • Fühlt sich das Daily nach Austausch oder nach Abhaken an?
  • Wie oft hören wir ein echtes „Ah, das wusste ich nicht – danke!“?
  • Was verändert sich durch das Daily konkret in unserem Verhalten?
  • Wird das Sprint-Ziel überhaupt erwähnt – und wenn ja, von wem?
  • Gibt es Raum, Blockaden zu benennen – ohne sie sofort lösen zu müssen?
  • Was bleibt hängen, wenn das Meeting vorbei ist?

Ein gutes Daily erzeugt Klarheit, Verbindung, vielleicht sogar ein bisschen Vorfreude auf die Arbeit.
Ein schlechtes? Nur Stille im Chat.

Remote Standups – die neue Realität

Remote? Hybrid? Willkommen im Alltag. Das Daily funktioniert auch über Zoom – aber es braucht Pflege.

Mann, der gerade aus dem Bett aufsteht, weil er in einer Minute in einem remote Standup sein muss

Was hilft bei Remote-Dailies?

  • Kamera an (sofern möglich): Sichtbarkeit = Präsenz
  • Visuelle Boards teilen (Jira, Miro etc.)
  • Moderation im Wechsel – fördert Verantwortung
  • „Wer moderiert – wer dokumentiert?“ klären

Remote ist kein Grund, warum das Daily (oder irgendein anderes Meeting) schlechter laufen sollte.
Im Gegenteil: Gerade wenn wir nicht im selben Raum sind, braucht es mehr bewusstse Gestaltung – nicht weniger Wirkung.

Apropos bewusste Gestaltung….

Scrum Guide approved – aber bitte mit Stil

Der Scrum Guide ist bewusst minimalistisch. Er sagt dir was ein Daily Scrum ist – aber nicht wie es gelebt wird:

  • ✅ 15 Minuten
  • ✅ Jeden Tag des Sprints
  • ✅ Nur für die Developer
  • ✅ Fokus: Fortschritt Richtung Sprint-Ziel
  •  

Was nicht drinsteht:

  • Wer moderiert
  • Ob ihr reihum geht oder thematisch springt
  • Ob ihr Emojis, Check-ins oder Timer verwendet
  • Wie ihr mit Blockaden oder Gesprächsbedarf umgeht
  • Der Scrum Guide gibt dir den Rahmen. Aber Wirkung entsteht erst, wenn du ihn mit Leben füllst.

Ein gutes Daily Scrum Meeting braucht also mehr als Regelkenntnis. Es braucht:

  • ein gemeinsames Ziel,
  • Aufmerksamkeit füreinander,
  • Mut zur Klarheit,
  • und manchmal: ein bisschen Haltung.

Oder anders gesagt:
Scrum-konform ist gut. Team-wirksam ist besser.


🛑 Halt, Moment – wo sind eigentlich die „Three Questions“?

Falls du dich wunderst: „Was ist denn mit den drei Daily Scrum-Fragen passiert?“

  • Was habe ich gestern gemacht?
  • Was mache ich heute?
  • Was steht mir im Weg?

🫢 Tja – die stehen seit 2020 nicht mehr im Scrum Guide. Und das hat gute Gründe.

Denn:
👉 Sie fördern Reporting statt Teamkommunikation.
👉 Sie stellen Einzelaktionen in den Mittelpunkt, nicht das gemeinsame Ziel.
👉 Sie lassen keinen Raum für echtes Miteinander – nur für „Ich mach dies, du das“.

Kurz: Die drei Fragen haben viele Teams in eine Haltung geführt, die eher nach Statusmeeting klingt als nach Selbstorganisation.

Wenn ihr sie noch nutzt, ist das kein Weltuntergang – aber vielleicht ein Zeichen für ein Daily mit Optimierungspotenzial.

Du weißt ja nun schon, wie es besser geht:

  • Startet mit dem Sprint-Ziel
  • Sprecht miteinander statt nur „nacheinander“
  • Nutzt das Daily als echten Hebel – nicht als Denkpause mit Mikrofon

So könnte ein richtig gutes Daily Scrum ablaufen

09:00 Uhr – pünktlicher Start
Das Team trifft sich im gewohnten virtuellen Raum oder im Büro. Kamera an, Taskboard sichtbar, Timer läuft (15 Minuten – Timebox steht).

🎯 Einstieg mit Fokus
Ein kurzer Reminder ans Sprint-Ziel:

„Wir wollen bis Freitag die neue Login-Funktion fertigstellen. Wie sieht’s aus?“

📋 Beitrag für Beitrag – entlang der Sprint-Backlog-Items (von oben nach unten)
Das Team geht Story für Story durch – nach Priorität im Sprint-Backlog.
Wer zu einer Story etwas beitragen kann, tut das – dialogisch, nicht reihum.
So entstehen echte Synchronisation und Abstimmung auf Augenhöhe.

⚠️ Blockaden werden sichtbar gemacht
„Ich hänge bei der API-Validierung“ → „Kommt in den Parking Lot – klären wir direkt danach.“
Probleme werden benannt, nicht gelöst – das kommt danach.

🧭 Zeitgefühl bleibt da
Nach ca. 12 Minuten: „Gibt’s noch eine Story, die wir ansehen müssen?“
Nach 15 Minuten: Ende. Wer mag, bleibt für Deep Dives oder 1:1s.

🎉 Ergebnis: Alle wissen …

  • Was heute wichtig ist
  • Wo sie zusammenarbeiten
  • Wo es klemmt
  • Und: dass das Daily dem Ziel dient, nicht nur der Gewohnheit 

Fazit: Daily Scrum

Ein gutes Daily Scrum Meeting ist keine Zauberei – sondern ein mächtiges Werkzeug.
Richtig eingesetzt bringt es Teams jeden Tag ein Stück näher ans Ziel.
Falsch verstanden wird’s zum Frustbringer mit Zwangscharakter.

Also: 15 Minuten, Fokus, Verbindung.

Hol dir Support: Coaching für dein Daily

Du willst dein Daily vom „Pflichtprogramm“ zum „Power-Tool“ machen? Dann weißt du, wo du mich findest.

🤝 Live-Coaching & Sparring mit mir
– Begleitung in echten Dailies -> „Pimp my Scrum Events
– Feedback & Co-Facilitation (Buche ein Scrum Coaching)
– Analyse von Routinen & Teamgesundheit

Über die Autorin dieses Beitrags:

Beatrix Gottanka von der Agilistas GmbH aus Linz

Hallo, ich bin Beatrix Gottanka – diplomierte Software Engineerin, zertifizierte Professional Scrum Masterin und seit über 15 Jahren mit echter Scrum-Praxis unterwegs.

Gerne helfe ich Dir und Deinem Team euer volles Potential mit einer agileren Haltung zu entdecken und auszuschöpfen.

-> Mehr über mich


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